Saimir Pirgu - Deutsche Oper Berlin

Sieben Fragen an ...

Saimir Pirgu

Saimir Pirgu singt Don José, der in Bizets CARMEN eine ihre Freiheit liebende Frau begehrt und tötet. Hier erzählt der albanisch-italienische Tenor, was ihn an seiner Figur fasziniert – und was nicht

Don José setzt für Carmen alles aufs Spiel, wird zum Schmuggler und Mörder. Wieso begehren wir und zerstören dann? 
Es ist schwer, die Wandlung vom aufrechten Mann zum Mörder zu erfassen. Als ich Don José zum ersten Mal gesungen habe, hat er mich völlig verwirrt. Mit seiner Eifersucht kann ich nichts anfangen. Vielleicht muss ich ihm noch näherkommen, um das besser zu verstehen.

Wenn Sie entscheiden müssten: Liebe oder Vernunft? 
Kommt darauf an, wie sehr ich liebe! Ich frage mich, ob es in diesem Jahrhundert noch zeitgemäß ist, so zu lieben und zu begehren, dass man dafür den Tod in Kauf nimmt.

Don José fühlt sich magisch angezogen von Carmen, gleichzeitig streiten die beiden nur. Warum faszinieren uns Menschen, die nicht zu uns passen? 
Wir alle lieben manchmal, was nicht zu uns passt, das scheint Teil des Daseins zu sein. Don José weiß genau, dass nicht Carmen, sondern Micaëla die Richtige für ihn ist. Trotzdem handelt er nicht danach. Wenn sich Don José nur von seinem Hirn hätte leiten lassen, wäre er sicher bei Micaëla geblieben. Die beiden hätten geheiratet, Kinder bekommen und ein wundervolles Leben gehabt. Nur eben ohne diese Extreme, die er mit Carmen erlebt. Aber wir alle sind auch Don José. Wir wissen, dass es mit einer Person nicht geht – und verlieben uns trotzdem. Wir wollen, was wir nicht haben können. Das Unmögliche reizt. 

Was fasziniert Sie an Don José?
Es gibt einen Moment, da kippt etwas in seiner Persönlichkeit. Don José wirkt zunächst ruhig, fast naiv. Dann trifft er Carmen, verliebt sich. Er sieht sie mit einem anderen Mann und wird extrem eifersüchtig. Ihm wird klar, dass sie niemals ihre Freiheit aufgeben wird. Dass sie immer anders sein wird als andere Frauen, immer tun wird, was sie will. In diesem Moment blüht in diesem aufrichtigen Charakter etwas sehr Düsteres auf – und aus seiner Liebe wird ein Hass, der tötet.

Was haben Sie von Don José gelernt?
Don José hat mich gelehrt, sehr vorsichtig zu sein. Mich zu fragen, was oder wen ich begehre – und warum. Aber ich lerne auch viel von Carmen! Sie erzählt von Freiheit, von freier Liebe. Und Freiheit ängstigt. Niemand versteht Carmen, die Figuren in dem Stück nicht – und der Großteil des Publikums auch nicht. Carmen ist für die meisten Leute zu extrem, alle leiden mit Don José. Vielleicht muss die Menschheit ein anderes Level erreichen, um Carmens Charakter völlig zu erfassen. Wir fürchten uns vor der Freiheit, uns zu öffnen und mehr als eine Person zu lieben.

Hat Don José auch positive Aspekte?
Er stellt sich gegen seine Familie und gegen die Gesellschaft, als er sich für Carmen entscheidet. Er geht seinen Weg, trotz aller Widerstände. Don José ist stark. Aber er ist nicht stark genug, um eine freie Frau von Carmens Größe zu akzeptieren.

Carmen will ihre Freiheit, Don José bringt sie dafür um. Noch immer sterben Frauen, weil sie Nein sagen. Was muss sich ändern, damit so etwas nicht mehr passiert? 
Da sind zwei verschiedene dunkle Seiten am Werk: Erstens die Unfähigkeit von Männern, mit persönlichen Kränkungen umzugehen, so dass unerhörte Liebe solche Gewalttaten auslösen kann. Zweitens die politische Dimension, die dazu führt, dass Frauen in Teilen der Welt weniger Rechte haben, nicht ihre Meinung sagen dürfen, nicht einmal wählen dürfen. Die Menschheit muss ein anderes Bewusstsein erreichen, um diese Probleme zu lösen. Wir müssen verstehen, dass Liebe größer ist als Hass. Vielleicht sollten schon in der Schule andere Dinge unterrichtet werden. Liebe und Empathie zum Beispiel.

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