Nicht anders als bei Freundschaften gibt es auch in der Beziehung zwischen Künstler*innen und Publikum immer wieder Fälle, bei denen die Intensität weniger Begegnungen bereits eine enge Verbundenheit schafft, die auch nach Jahren der Abwesenheit sofort wieder aktiviert werden kann. Im Falle von Anja Silja lagen immer wieder lange Zäsuren zwischen ihren Auftritten an der Deutschen Oper Berlin, aber dennoch hatten schon ihre ersten Auftritte als Elsa 1961 im LOHENGRIN und vor allem in der Titelpartie von Wieland Wagners Neuinszenierung der SALOME 1962 ausgereicht, ein solches Band zu schaffen. Auch bei ihrer triumphalen Rückkehr ans Haus nach fast 25 Jahren im Rahmen des 2002 und 2004 als Gastspiel aus Glyndebourne gezeigten Janacek-Zyklus war diese enge Beziehung sofort spürbar. Die umjubelten Aufführungen von JENUFA und DIE SACHE MAKROPULOS führten den Berlinern freilich auch vor Augen, dass Anja Silja nicht den für Wagner-Heroinen vorgezeichneten, oft nur kurzen Weg zu den hochdramatischen Partien gewählt hatte, sondern ihre Laufbahn langfristig disponiert hatte: Über die Jahrzehnte war hier eine Sängerdarstellerin herangereift, die das Leid der Küsterin in JENUFA oder den hinter Eiseskälte versteckten Lebensüberdruss der Emilia Marty in DIE SACHE MAKROPULOS mit elektrisierender Intensität verkörperte. Bis heute konnte Anja Silja diese Herzensbeziehung zu ihrem Publikum immer wieder aktivieren, vor allem in ihrer Heimatstadt Berlin, an deren Opernbühnen sie auch in den letzten Jahren immer wieder präsent war. Am 17. April 2020 feierte sie ihren 80. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich und hoffen auf ein Wiedersehen!