Zehn Fragen an ... Philipp Stölzl - Deutsche Oper Berlin

Zehn Fragen an ... Philipp Stölzl

Philipp Stölzl ist Regisseur, drehte Kinofilme wie „Nordwand“ und Musikvideos, etwa für Madonna und Rammstein. Für die Deutsche Oper Berlin hat er PARSIFAL und RIENZI inszeniert. Hier erzählt er, was Wagner mit dem Kino verbindet

Warum Wagner?
Sicher nicht wegen seiner verschrobenen Mythologie. Schon gar nicht wegen ihm als Mensch. Es ist die Musik. Die steht seit über hundert Jahren einfach so da mit ihrem hypnotischen Sog, ihren Abgründen, ihrer Verführung. Wagners Musik wird nicht alt– und lädt einen immer wieder dazu ein, sich ihr auszusetzen.

Hitler war Wagner-Fan. Darf man seine Musik trotzdem genießen?
Man versteht schon, warum sich die Nazis in der düsteren Epik von Wagner wiedergefunden haben. Aber Hitler mochte andererseits auch Mickey Maus, das ist eigentlich kein Kriterium, etwas von der eigenen Liste zu streichen. Für mich hat große Musik – nicht nur die von Wagner – eine metaphysische Qualität, die sie einer direkten politischen Wertung entzieht.

Was reizt Sie an der Kombination von Oper und Film?
Mich in meinen Berufsleben hält diese Abwechslung frisch, ich empfinde das als großes Geschenk in diesen beiden Welten zu Hause zu sein. Man nimmt auch immer aus dem einen Genre etwas in das Andere mit: Meiner Filmarbeit tut die Musikalität und die Lust am sinnlichen Melodram der Oper gut – und die Oper mit ihren verquasten Libretti profitiert oft vom Filmhandwerk.

Was ist die Gefahr an dieser Kombination?
Man muss wissen, was man tut und wie man mit dem Element umgeht. Auf der Bühne müssen Film, Handlung, Musik und Darstellung miteinander verzahnt sein, sich raffiniert verschränken. Sonst weiß der Zuschauer nicht, worauf er sich konzentrieren soll. Im zweiten Teil der RIENZI-Inszenierung etwa habe ich die Bühne in zwei Ebenen geteilt, die Filmelemente laufen in der einen Ebene. Da haben wir sehr viel an der Lichtregie gearbeitet, um die Blicke des Publikums zu lenken.

 

Rienzi, der letzte der Tribunen © Bettina Stöß
 

Was verbindet eine Oper von Wagner mit dem Kino?
Beide Medien sind sehr suggestiv. Du verlässt deinen Alltag und betrittst einen Raum, in dem nur Klang und Erzählung ist. Wenn alles gut läuft, saugt dieser Raum dich ein – und lässt dich nicht mehr los. Genau das war Wagners Ziel, und an den überragenden Stellen gelingt es tatsächlich. Das will ich als Regisseur natürlich auch erreichen. Gleichzeitig war das immer das Argument seiner Gegner: das seine Musik so verführerisch ist. Vor allem in Bezug auf die nationalsozialistische Ästhetik.

Wieviel Wagner steckt in Ihren Filmen?
„Nordwand“ etwa hat viel von Wagner. Der Protagonist leidet exzessiv, der Berg steht für die Gewalt der Natur. Auch die Musik ist an Wagner angelehnt, in Motiven, in seinem repetitiven Moment, das viel von Wagners Idee des Leitmotivs hat. Der Berg als musikalisches Motiv hat dunkle Klänge und einen Bläsersatz, der an PARSIFAL erinnert. Heute würde ich weniger Musik einsetzen, denn diese Klänge können Bilder so stark überhöhen, dass die Jämmerlichkeit in den einzelnen Figuren und Szenen nicht erkennbar ist.

Wäre Wagner ein guter Filmregisseur?
Wagner war von seinen Inszenierungsversuchen enttäuscht. Die Bilder hinkten der Kraft seiner Musik hinterher. Der Regisseur Wagner war spießiger und gewöhnlicher als der Komponist. Aber natürlich frage ich mich, was wohl entstanden wäre, wenn Wagner das Kino gehabt hätte.

Wäre Wagner ein guter Filmheld?
Auf den ersten Blick ist er als Filmheld unbrauchbar, weil er unsympathisch ist. Er war feige und in Frauengeschichten verwickelt, hatte ständig Geldprobleme, haute mit Schulden ab. Wäre er nicht ein Weltkünstler, würde man sich für dieses halbseidene Leben kein bisschen interessieren. Doch wenn man sich in ihn hineinfrisst, so wie ich es getan habe, fällt sein Humor auf, sein radikaler Geist, die paradoxe, versponnene Art zu denken. Genau solche Figuren braucht das Kino.

Was ist ihr besonderer Blick auf Oper als Filmregisseur?
Ich will Oper so erzählen, dass man die Geschichte dahinter versteht, so wie ich das in meinen Spielfilmen auch tue. Bei PARSIFAL etwa fragte ich mich, wo dieser Gral herkommt und was Wagners Auseinandersetzung mit dem Christentum bedeutet. Durch meine Arbeit beim Film bin ich vielleicht auch näher am Publikum, das ja Oper immer im eigenen Kontext sieht. Unsere Vorfahren haben ihre Bildwelten aus Büchern gezogen. Meine Generation, die mit Kino aufgewachsen ist, deutet Oper auch aus dem Kino heraus.

Parsifal © Matthias Baus
 

Was kann Oper, das Film nicht kann?
Film ist ein sehr machtvolles Medium, damit kann die Bühne gar nicht konkurrieren. Trotzdem: Die Bühne lebt davon, dass du dich als Zuschauer auf die besondere Theatersituation einlässt. Du bist in diesem Raum, und die Leute sprechen oder singen auf eine sehr spezielle Weise. Eine Oper von Wagner saugt dich im besten Fall ein, verführt dich und löst Gefühle aus, denen sich das Publikum schwer entziehen kann. Wagners Musik kann durchaus psychedelische, sexuelle und drogenrauschähnliche Gefühle auslösen! Das muss im späten 19. Jahrhundert viel stärker gewirkt haben als heutzutage. Kino versucht, genau diese Gefühle zu produzieren, häufig vergeblich.

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