Joseph Calleja: A place of serenity for my soul: Malta - Deutsche Oper Berlin

Joseph Calleja: Mein Seelenort Malta

Der Tenor Joseph Calleja kehrt mit Ponchiellis LA GIOCONDA an die Deutsche Oper Berlin zurück. Er nimmt uns mit auf einen Streifzug durch seine Heimat: Mellieha auf Malta

Mein Seelenort heißt Mellieħa, er liegt im Norden Maltas, hier bin ich aufgewachsen – und hierhin komme ich mehrmals im Jahr, um mich zu erholen. Nun sitze ich seit März in der Stadt fest, so lange am Stück war ich seit 25 Jahren nicht mehr hier. Und ich genieße jede Minute. Ich gehe jeden Tag mit meinen Hunden zum Roten Turm, wir sind stundenlang unterwegs. Ich habe zwei Schäferhunde und einen italienischen Mastiff. Die Schäferhündin heißt Roma, die beiden Rüden habe ich nach römischen Gottheiten benannt: Romas Sohn heißt Mars, der Mastiff Jupiter. Der Turm wurde im 17. Jahrhundert gebaut, damit die Ritter des Johanniterordens die Bucht überblicken konnten. Malta wurde oft von Piraten angegriffen, auch die Krieger des Osmanischen Reiches haben immer wieder versucht, die Insel zu erobern. Von hier aus schaue ich übers Meer und sehe am Horizont unsere Nachbarinseln Comino und Gozo.

Malta ist eine Insel der Gerüche und Farben, als Kind bin ich im Winter durch die gelben Narzissenfelder gestreift, im Frühling und Sommer durch den duftenden Thymian. Das Meer funkelt hellblau und türkis, ich klettere über sandfarbene Klippen, der Himmel leuchtet am Abend rot und orange. Klar, ich bin etwas voreingenommen, aber ich finde, Mellieħa ist der schönste Ort der Welt. Auf Malta atmet man Geschichte, die Insel ist seit 7000 Jahren besiedelt, selbst in Mellieħa leben seit 3000 Jahren Menschen. Auf unseren Felsen sind prähistorische Menschen geklettert, in der Jungsteinzeit haben sie hier megalithische Tempel erbaut, die ältesten der Welt. Mellieħa war von den Römern, Arabern und Byzantinern besetzt, im Mittelalter kamen die Johanniter, um 1800 die Briten. Maltas Geschichte habe ich schon als Junge in der Schule gelernt, auch meine Eltern haben mir davon erzählt. Aber als Kind war das für mich nichts Besonderes, das waren nur ein paar alte Steine. Ich hatte anderes im Kopf: Schwimmen, Schnorcheln, Sandburgen bauen. Als Jugendlicher hingen wir ums Lagerfeuer, grillten, zählten Sternschnuppen. Der erste Kuss am Strand. Naja, so richtig schätzen gelernt habe ich die Geschichte meiner Heimat jedenfalls erst als Erwachsener.

Der Rote Turm in Mellieha, im späten Mittelalter als Wachturm erbaut. Die Johanniter wollten von diesem erhabenen Platz aus die Bucht überwachen © Dragana Rankovic 
 

Malta ist strategisch gut gelegen, seine Lage wurde über Jahrtausende sowohl militärisch als auch handelsmäßig genutzt. Die Insel ist wie ein unsinkbarer Flugzeugträger inmitten des Mittelmeeres. Es ist ein Knotenpunkt der Handelsrouten, von Osten nach Westen und von Süden nach Norden. Seit vielen Jahren kommen Geflüchtete nach Malta, die über das Mittelmeer von Afrika nach Europa fliehen. Malta ist eine sehr kleine Insel, 27 Kilometer lang, 316 Quadratkilometer. Das ist etwa ein Drittel der Größe von Berlin! Malta hat 400 000 Einwohner, etwa 10 000 Geflüchtete leben hier und jedes Jahr kommen Hunderte dazu. Wir sind der kleinste Inselstaat Europas. Wir brauchen die Hilfe unserer Nachbarn, allein können wir diese Situation nicht bewältigen. Malta und Italien werden da oft alleingelassen. Aber das darf niemals eine Entschuldigung sein, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Es sterben täglich Menschen, Alte, Frauen, Kinder. Wenn diese Menschen Hilfe brauchen, dann gibt es keine Optionen: Wir müssen helfen.

Über Jahrtausende hinweg sind die Kulturen durch Malta gezogen, die Insel ist das perfekte Beispiel für einen Schmelztiegel. Ich habe mal einen DNA-Test gemacht und da kam raus, dass ich italienisches, griechisches, portugiesisches, spanisches, französisches und jüdisches Blut habe. Das will ich allen Rassisten sagen: Macht so einen Test. Dann seht ihr: Wir sind alle miteinander verbunden. Ich glaube, wenn die Leute herausfinden, wie ähnlich wir uns alle sind, hätte Rassismus keine Chance. So ein bisschen zeigt das gerade auch Covid-19: Dieses Virus macht vor niemandem halt. Alter, Herkunft, Religion – das ist dem Virus egal, anstecken können wir uns alle.

Ich kann es nicht erwarten, endlich wieder auf der Bühne zu stehen. Im September singe ich den Enzo Grimaldo in Ponchiellis LA GIOCONDA konzertant. Seine Geschichte spielt in Venedig, dem Juwel der Welt. So wie meine kleine Stadt liegt auch Venedig am Mittelmeer, allein diese Lage verbindet mich mit Enzos Geschichte. Enzo ist Kapitän, er versteckt sich vor dem mächtigen Rat der Zehn, dem höchsten venezianischen Gericht. Zwischen ihm, der verheirateten Laura und der Straßensängerin Gioconda entsteht eine Dreiecksbeziehung. Er ist ein romantischer Typ, der für Gerechtigkeit kämpft – und er fährt Boot, so wie ich!

»Der schönste Ort der Welt«: Der maltesiche Tenor Joseph Calleja im Abendlicht an der Steilküste vor Mellieħa © Dragana Rankovic
 

In den letzten Monaten bin ich viel auf dem Wasser gewesen, war schwimmen, habe Zeit mit meiner Familie verbracht, bin mit den Hunden spazieren gegangen. Trotzdem: So lange nicht vor Publikum singen zu dürfen, ist eine einzige Strafe! Und nach dieser langen Pause endlich wieder aufzutreten zu können, ist das größte Geschenk.

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