Mein Seelenort

Achim Freyer

Er ist Bühnenbildner, Maler und Regisseur, Verdis MESSA DA REQUIEM gehört zu seinen schönsten Arbeiten. Achim Freyer führt uns an einen besonderen Ort: eine Kirche, von ihm gestaltet.

Wie in seinen Opernwerken stellt Verdi auch in seiner MESSA DA REQUIEM den Menschen und seine innere Wirklichkeit in den Mittelpunkt. Verdi rührt an Geheimnisse unserer Existenz. Seine Musik lässt uns ahnen, dass es für Trost keine Gewissheit, für Hoffnung keinen anderen Grund gibt als uns selbst.

Achim Freyer, der poetische Theatermacher, ist dieser musikalischen Dramatik begegnet mit einem großartigen Entwurf epischen Musiktheaters.

Wieder zu erleben ab 18. Oktober 2018

Ich bin kein religiöser Mensch. Trotzdem hat man mir anvertraut, diese Kirche zu gestalten. Ich fühle mich noch immer beschenkt an diesem Ort. Kirche berührt die großen Themen der Menschheit, die großen menschlichen Fragen. Geburt, Tod und den Weg dazwischen. Liebe, Krieg und die Sehnsucht nach Erlösung. Die Frage, wie weit der Traum vom immer längeren Leben existiert. Vielleicht berührt Religion diese Themen tiefer als eine Opernhandlung. Unsere Sprache ist viel enger als unser Denken und unser Fühlen. Ein Requiem oder ein Oratorium erzählt weniger Handlung als Zustände, wie auch diese Kirche mit ihren Fenstern. Die Kirche am Hohenzollernplatz ist eine Wegkirche, das bedeutet: Alles strebt nach vorn, zum Altar, zum Denken, zum Licht. Wenn man durch diese Kirche in Richtung Altar geht, empfängt man mit jedem Schritt die Totalität der Farbe. Die Wirkung der Fenster entwickelt sich prozesshaft beim Durchschreiten des Raums, als Ganzes kann man sie nicht wahrnehmen. Aber in diesem Licht offenbart sich die Ganzheit des menschlichen Seins. Der gottähnliche, schöpferische Mensch, die Träume des Jenseits, all das wurde ja tausendfach romantisiert. Aber wenn man auf diesem Weg ist, in dieser Kirche, dann nähert man sich dem Himmel, dem Aufwärts, schreitet hinein in eine himmlische Vision. Dort oben auf dem Plateau, dort, wo der Altar steht, da könnte man auch das Requiem erleben.

Die Berührung mit Kirche funktioniert für mich als Atheist über das Licht. Über die Geschenke der Natur, wenn die Sonne scheint und die Farben der Fenster wie Blüten zu Boden fallen. Diese Farbe, die Licht erzeugt, ist wie die Sonne, die Leben schenkt. Ich habe mich darüber geärgert, dass vorn, über dem Altar, schon ein Fenster von einem anderen Künstler existiert. Am liebsten hätte ich auch dieses gestaltet. Aber das ging ethisch natürlich nicht. Beim Arbeiten mache ich meine Entdeckungen, und wenn ich sie einmal gemacht habe, nutze ich sie nicht weiter. Für mich ist die Leere wichtig, um zu beginnen. Der Nullpunkt, aus dem die Fülle entsteht. Ich hoffe immer, dass ich in einen Zustand von Leere komme, damit ich nichts mehr weiß und alles immer wieder mit einem neuen Blick entdecken kann. Ich will mich in meiner Arbeit nicht wiederholen, denn das wäre doch schrecklich. Aber die absolute Leere ist eine Illusion. Wenn man Glück hat, erreicht man gerade mal den Zustand, nichts zu wollen.

Das Theater war für mich immer eine heimliche Zuflucht. Da konnte ich meine Bildwelt über die Stücke ausdrücken und mich als Maler verstecken. Meine Bilder sind wie ein Raum. In ihm kann man viele Stunden verbringen. Mein Denken geht vom Visuellen aus, von der Vision. Viele Menschen verstehen unter Fantasie etwas Falsches. Denn Fantasie ist harte Arbeit, unabdingbar ehrlich und wahrhaftig. Diese Haltung zu bewahren ist nicht so leicht, weil man schnell verführt wird, Reizen zu folgen, um den Prozess der Wahrhaftigkeit abzukürzen.

Aus meiner ersten Heimat, der DDR, musste ich weg, der Staat hat renitent meine Kunst bekämpft. Da war kein Platz mehr für mich. Aber die Freundschaften von damals sind alle noch intakt. Meine zweite Heimat ist Italien. Nach meiner Flucht aus der DDR habe ich die Toskana entdeckt. Das wurde und ist wie eine Wanderung von einer Heimat in die andere. Aber eigentlich kann ich sein, wo ich will. Mein Seelenort ist in mir.

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