Ein Essay von Michael Horst

Symbol der Liebe

In Donizettis LIEBESTRANK steht das Ehepaar Roberto Alagna und Aleksandra Kurzak gemeinsam auf der Bühne

Roberto Alagna als Andrea Chenier
Dirigent: Giampaolo Bisanti
Inszenierung: John Dew
Außerdem mit u. a. Roman Burdenko, María José Siri; Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Wiederaufnahme: 28. November 2018

Treffpunkt Künstlergarderobe von Roberto Alagna. Direkt nach der CARMEN-Vorstellung Ende Dezember 2016. Kaum kommt der Tenor nach dem Schlussapplaus herein und will sich auf einen Stuhl niederlassen, piept schon ungeduldig sein Smartphone. Am anderen Ende per Facetime auch visuell aus Paris zugeschaltet: Aleksandra Kurzak, vielgefragte Sopranistin und seit November 2015 Ehefrau des Sängers. Sofort beginnt ein schnelles Duett in Worten, in das sich als Dritter noch Robertos Arzt , direkt neben ihm stehend, einschaltet – größtenteils auf Französisch, von Alagna aber immer wieder für seine Frau ins Italienische übersetzt. Worum es geht? Natürlich um das Thema aller Themen bei Sängern: die Stimme. Denn bei Alagna ist sie bereits seit Wochen leicht lädiert, so dass er fast schon absagen wollte. Doch an diesem Abend haben ihn Disziplin, Wille und reichlich Endorphine erfolgreich über alle Stimm-Klippen manövriert.

Roberto Alagna, Clémentine Margaine
Roberto Alagna als Don José an der Seite von Clémentine Margaine © 2014, Bettina Stöß
 

Die Polin Aleksandra Kurzak und der Italo-Franzose Roberto Alagna – das neue Vorzeigeduo im internationalen Opernbusiness. Und wild entschlossen, so drückt es der Tenor aus, so oft wie möglich zusammen aufzutreten: „Wenn wir nicht zusammen singen, ruinieren wir unser Privatleben.“ Will heißen: Singt der eine hier und der andere dort, sehen sie sich für Wochen möglicherweise höchstens über Facetime. Und das wollen sie auf jeden Fall vermeiden. So kommt Alagna schnell auf mehr als eine Handvoll Opern, in denen sie demnächst gemeinsam auftreten wollen, so Puccinis TURANDOT an der Royal Opera Covent Garden in London im kommenden Juli [mit Aleksandra als Liù], danach Offenbachs HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN in München [mit Aleksandra in den vier Frauenrollen]. Dort haben sie im letzten Jahr bereits mit Halévys LA JUIVE [DIE JÜDIN] einer Rarität des Repertoires gemeinsam zu neuem Glanz verholfen. Später sollen dann im Duo noch OTELLO, DER BAJAZZO und auch wieder LA BOHEME folgen.

Aleksandra Kurzak, Roberto Alagna © Kasia Paskuda
 

Und immer wieder L’ELISIR D’AMORE, Donizettis unverwüstlicher LIEBESTRANK, der zum Dreh- und Angelpunkt im Leben des Paares Kurzak/Alagna geworden ist – zu „unserem Symbol der Liebe“, wie es der Tenor sehr poetisch ausdrückt. Bei einer Aufführungsserie in London im November 2012 lernten sich die beiden kennen und lieben, und zwischen zwei Aufführungen in Paris drei Jahre später jetteten sie kurz nach Warschau, in Aleksandras Heimat, um dort den Bund fürs Leben zu schließen. Für Roberto ist es – nach einer tragisch kurzen Ehe in den frühen 1990er Jahren und der turbulenten Beziehung zu der Sopran-Diva Angela Gheorghiu – die dritte Ehe. Und der Liebestrank scheint den heute 52-Jährigen offensichtlich spürbar zu verjüngen; insofern passt die Rolle des verliebten jungen Mannes Nemorino, der die arrogante Pächterin Adina anschmachtet, erstaunlich gut. „Das Geniale an dieser Rolle ist, dass Nemorino nie lächerlich wirkt“, stellt Alagna klar. Doch die Schwierigkeiten seien nicht zu unterschätzen: Nemorino hat viel zu singen, dazu braucht es durchgehend einen geschmeidigen Tenor mit lyrischer Höhe.

Der Liebestrank © Monika Rittershaus
 

Noch vor der Hochzeit kam 2014 die gemeinsame Tochter Malèna zur Welt, der Alagna im vergangenen Jahr ein CD-Album gleichen Namens mit einem Streifzug durch die italienische Volksmusik gewidmet hat. Wie oft er schon als Nemorino aufgetreten ist, welche Rolle er am meisten gesungen hat, wieviel Rollen überhaupt sein Repertoire zieren – das alles wischt Alagna nonchalant zur Seite: „Sono artista, non sono ragioniere – Ich bin Künstler, kein Buchhalter!“ Dabei lohnt sich ein Blick auf die Liste ausgefallener Rollen, zu denen nicht nur der Vasco da Gama gehört, den der Tenor erstmals 2015 in der Neuproduktion der Deutschen Oper Berlin gesungen hat, sondern auch Mascagnis L’AMICO FRITZ, FRANCESCA DA RIMINI von Riccardo Zandonai oder CYRANO DE BERGERAC aus der Feder des TURANDOT-Vollenders Franco Alfano.

Im Sommer 2018 soll dann seine erste deutsche Partie dazukommen: der Lohengrin, mit dem Alagna auf Einladung Christian Thielemanns in Bayreuth debütieren wird. „Schuld“ ist auch hier wieder Aleksandra Kurzak, die ihren Mann gedrängt hat, unbedingt dieses verlockende Angebot anzunehmen. Sie wird wohl kaum die Elsa an seiner Seite werden [auch wenn die Partie nach der Absage Anna Netrebkos wieder frei ist]; aber das Coaching für die deutsche Sprache will die Sopranistin, die lange im Ensemble der Staatsoper Hamburg gesungen hat, in jedem Fall übernehmen. So ganz sicher sei er sich noch nicht, sagt der Tenor, „ob mir der Anzug passt“, sprich: ob er tatsächlich am Grünen Hügel den Schwanenritter geben wird. Unterschrieben hat er allerdings gleich für drei Jahre. Um am Ende doch noch vielleicht mit seiner Elsa-Aleksandra im Festspielhaus vom Brautchor ins eheliche Gemach geleitet zu werden.

Ersterschienen in der Beilage der Deutschen Oper Berlin im Berliner Tagesspiegel, März bis Juli 2017

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