Wenn diese Wände sprechen Oper könnten… - Deutsche Oper Berlin

Wenn diese Wände sprechen Oper könnten…

Ein interaktiver Sound-Walk setzt sich mit den Protesten in der Geschichte des Opernhauses auseinander

Aus: Beilage zur Berliner Morgenpost, Juni 2014

Von Jacqueline Krause-Blouin

2. Juni 1967. Aufgebrachte Studenten demonstrieren gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien, der sich in Begleitung des Regierenden Bürgermeisters und des Bundespräsidenten Mozarts ZAUBERFLÖTE zu Gemüte führen möchte. Es soll eine Schlüsselnacht der deutschen Nachkriegsgeschichte mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Folgen werden. Schlachtrufe wie „Schah, Schah, Scharlatan!“ hallen durch Charlottenburg, die Demonstrationen geraten außer Kontrolle. Der Romanistikstudent Benno Ohnesorg wird durch die Kugel eines Polizisten tödlich verletzt und die Deutsche Oper ungewollt zum blutigen Mittelpunkt des politischen Geschehens.

Es stimmt, die Geschichte der Deutschen Oper Berlin hat mehr als ein paar lächerliche Skandälchen von hysterischen Anfällen wetteifernder Operndiven oder Intrigen unter Dirigenten zu bieten, sie ist ein Ort Berliner und deutscher Geschichte und die Mauern des Hauses haben schon einiges miterlebt. Als 1988 der IWF in Berlin tagte, klatschte literweise Schweineblut an die Fassade. Wenn diese Wände sprechen könnten…

Höchste Zeit also zurückzublicken. Zusammen mit den Studenten des Studienganges „Sound Studies“ der Universität der Künste (UdK) gestalten Dorothea Schroeder und Anne Oppermann derzeit einen interaktiven Sound-Walk rund um die Geschichte der Deutschen Oper Berlin. „Es wird aber keine Museumstour!“, winkt Dorothea Schroeder sogleich ab. „Man wird als Zuschauer zwar viel erfahren, aber so manches findet auch bewusst auf einer abstrakten Ebene statt.“ Gemeinsam mit den Studenten haben sich Schroeder und Oppermann „in die Archive hineingewühlt“; das warf so manche alte und neue Frage auf.

Warum schrien beispielsweise 1956 vor allem junge Leute bei der Premiere von Hans Werner Henzes avantgardistischem KÖNIG HIRSCH plötzlich „Wir wollen Lohengrin!”? Wie kann man Protest klanglich umsetzen, aber vor allem: wie sieht es denn eigentlich mit uns selbst aus?

Die Studenten mussten sich und ihrer Generation eine gewisse Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit eingestehen. „Man weiß, wogegen man ist, aber man weiß nicht genau, wofür man ist“, sagt Anne Oppermann nachdenklich. Und wo soll man überhaupt anfangen? Schließlich sind wir doch alle gerade total mit Leben beschäftigt. Haltung? Protest? Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Offensichtlich hat sich auch unsere Toleranzgrenze, was Theater und Oper anbelangt, erheblich erweitert. Wann wurde das letzte Mal bei einer Premiere so laut gebuht, dass das Stück unterbrochen werden musste? „Uns ist die Empörung abhanden gekommen”, sagt Dorothea Schroeder. „Aber wir stellen gerade fest, dass das nicht so weitergehen kann. Denn sonst wird unsere Demokratie immer mehr zur Farce.“

Der Sound-Walk mit dem vielsagenden Titel „Das große Buh“ setzt sich also auf kreative Weise auch mit diesen gesellschaftlichen schaftlichen Fragen auseinander, ohne das vermessene Ziel zu haben, sie alle beantworten zu müssen.

Der „Sound Studies“-Student Andrés Torres beispielsweise arbeitet an einer Installation mit einem Megafon. Der Besucher spricht etwas hinein, aber heraus kommt etwas völlig anderes. Stille Post gone wrong. Er möchte damit auf Missverständnisse im Protest und Mitläufertum aufmerksam machen. „Manchmal gehen in der Masse die Facetten des Einzelnen unter, und das ist gefährlich“, sagt er. Die Welt ist nun einmal grau und nicht schwarz oder weiß, das kritisieren auch die Studenten der UDK am oft so pauschalen Demonstrationskosmos. „Auch im Internet droht Protest oft außer Kontrolle zu geraten“, beobachtet die Studentin Helen Heß. „Durch die Anonymität des Mediums fühlen wir uns künstlich geschützt und müssen nicht unmittelbar Verantwortung übernehmen.“

Mit Kopfhörern ausgestattet, werden die Besucher durch verschiedene eigenständige Stationen geschleust, lernen dabei, dass die Deutsche Oper durchaus ein politischer Ort ist und werden eingeladen, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Vor dem moralischen Zeigefinger muss sich hier allerdings niemand fürchten, denn die Initiatorinnen nehmen sich selbst nicht aus. Im Gegenteil: „Das Schönste wäre“, sagt Anne Oppermann mit einem Augenzwinkern, „wenn wir am Ende so richtig ausgebuht würden.“

 

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