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(Gebär)Mütter zu vermieten - Deutsche Oper Berlin

(Gebär)Mütter zu vermieten

In DIE FRAU OHNE SCHATTEN erzählt Richard Strauss vom Drama einer kinderlosen Ehe. Tobias Kratzer aktualisiert den Stoff und erzählt von einem Versuch, das Glück auf Kosten Anderer zu erkaufen

Die älteste »Leihmutter« der uns prägenden Kulturgeschichte hieß Hagar. Sie war eine Sklavin, die stellvertretend für Abrahams Frau Sara, die nicht schwanger werden konnte, ein Kind gebären sollte. Der von Hagar zur Welt gebrachte Sohn Ismael gilt als Stammvater der Araber, so wie Isaak, den Sara am Ende doch noch bekam, zum Begründer Israels erklärt wurde. Alleine diese in der hebräischen Bibel überlieferte Geschichte enthält ein Geflecht von Ursprungsmythen, dessen Folgen lange nachwirken und auch in DIE FRAU OHNE SCHATTEN Spuren hinterlässt. Enthalten darin ist die patriarchale Vorstellung (männlicher) Stammhalterschaft, die sich heutzutage im Reagenzglas vorbestimmen lässt.

Mit Louise Brown, dem ersten Retortenbaby, ist 1978 in die Welt gekommen, wovon Abraham nämlich nur träumen konnte: Eine »saubere« Abstammung, die mittels Eizell- und Samentransfer bewerkstelligt werden kann. Ein alter Menschheitstraum erfüllt! Endlich hätten es Männer in der Hand, im Nachwuchsgeschäft mitzumischen. Und die Frauen? Entlastet von den Mühen der Schwangerschaft gäbe es nun Leihmütter, bei denen man sein Kind einfach bestellt! In einigen Fraktionen der Frauenbewegung in den 1970er Jahren wurde das als Teil weiblicher Emanzipation angesehen. Die »Tyrannei der biologischen Familie« zerschlagen, um die Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen zu vergrößern, proklamierte nicht nur die US-Feministin Shulamith Firestone. Ähnlich sehen es heute Männer in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Und warum soll hierzulande ungewollt kinderlosen Paaren oder Homosexuellen verschlossen bleiben, was Prominente wie Alec Baldwin, Paris Hilton, Cristiano Ronaldo oder die Kardashians, aus welchen Gründen auch immer, selbstverständlich praktizieren?

Doch Leihmutterschaft ist wie auch die Eizellspende nach dem Embryonenschutzgesetz von 1990 in Deutschland verboten. Es gibt immer wieder Vorstöße, dies zu ändern, derzeit tagt eine Kommission der Bundesregierung, in Bezug auf Leihmutterschaft ist eine Liberalisierung nicht zu erwarten. Vor Kurzem hat das Europäische Parlament in einer Richtlinie »zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels« bekräftigt, diese Praxis in die Liste der Verbrechen aufnehmen zu wollen. Einige EU-Länder, in denen Leihmutterschaft geduldet ist, könnten ihre Gesetze ändern, wie Italien vergangenes Jahr.

Und so tummeln sich kinderlose Paare auf den zwei Mal im Jahr stattfindenden »Kinderwunschmessen« in Berlin und Köln. Dort bieten Fortpflanzungskliniken aus Spanien und Griechenland und osteuropäische Leihmutter-Agenturen ihre Dienste an, oft genug mit »100-prozentiger Baby-take-away-Garantie«, wie das im Werbesprech heißt. Die Geschichten, die man dort zu hören bekommt, sind manchmal traurig, Kinderlosigkeit kann psychische Probleme verursachen und Paare auseinandertreiben. Aber kann das im Umkehrschluss heißen, dass diese auch ein Recht auf ein eigenes Kind haben? Ein Kind, das bestellt wird auf einem Markt, der von geschäftstüchtigen Reproduktionsmedizinern und deren Helfern kontrolliert wird?

In den USA kostet eine Leihmutter inzwischen über 100.000 Euro. Für Promis kein Thema. Die weniger betuchten, aber durchaus zahlungsfähigen Interessenten weichen aus in den osteuropäischen Raum, der erreichbarer ist als Indien, das einmal die Drehscheibe für Leihmutterschaft war, für ausländische Paare inzwischen aber weitgehend geschlossen ist. In den ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien hat sich dagegen ein blühender Geschäftszweig entwickelt. Die derzeit bekannteste Klinik in der Ukraine bietet eine »Standard, Standard-Plus und VIP« -Variante der Leihmutterschaft für zwischen 39.900 und 69.900 Euro an – letztere mit Geschlechtsauswahl, einer relativ geringen Wartezeit und Babybetreuung rund um die Uhr. Bei den Leihmüttern kommt von dem Geld nur ein Bruchteil an.

Durch den Krieg ist das Geschäft allerdings in Verruf geraten, als bekannt wurde, dass die dort geborenen Babys von ihren Bestelleltern nicht abgeholt werden konnten und in Bunkern notdürftig versorgt werden mussten. Dramatische Geschichten gingen durch die Presse von Leihmüttern, die nach Deutschland flohen und von den Agenturen unter massivem Druck zurückbeordert wurden. Denn nach deutschem Recht ist die Frau, die das Kind gebärt, die gesetzliche Mutter. Über das Schicksal nicht abgeholter Babys, beispielsweise auch, weil sie mit einer Behinderung zur Welt gekommen sind, ist wenig bekannt.

Ist es also »schwesterlich«, von Frauen, die ärmer sind und die ihre Familien finanziell unterstützen wollen, zu erwarten, als Leihmütter bereit zu stehen? Wie viel physische Belastung und psychisches Leid werden den »Tragemüttern« durch eine so genannte »Schwangerschaftsspende« aufgebürdet? Schon alleine solche Begriffe verschleiern das Geschäftliche und unterstellen, die Frauen handelten vor allem altruistisch. Das Wohlstandsgefälle zwischen Leihmüttern und Bestelleltern jedoch bleibt groß, es handelt sich um ein knallhartes Geschäft mit sehr unterschiedlicher Marktmacht.

Wie es Hagar erging, als sie von Abraham geschwängert wurde, um ihm den ersehnten Sohn zu »schenken« und Sara zu entlasten, ist in der Bibel nicht hinterlegt. Und bisher wissen wir auch wenig über die Leihmütter, die überall in den benachteiligten Zonen der Welt für ihre privilegierten Schwestern Kinder austragen. Der »Pakt«, der auch in der DIE FRAU OHNE SCHATTEN eine so wichtige Rolle spielt, wird jedenfalls nicht auf Augenhöhe ausgehandelt. Egal, wie man sich das ausdeuten mag bis hin zur Vorstellung, den Leihmüttern sogar zu helfen, es bleibt ein Schatten, den am Ende das Kind weiterträgt.

 

Ulrike Baureithel ist freie Journalistin, Mitgründerin der Wochenzeitung »Freitag«, Lektorin und Dozentin und hat sich viel mit Eizellspende und Leihmutterschaft beschäftigt