„Ich habe mich nicht getraut“ - Deutsche Oper Berlin

Ein Gespräch mit Kai Luehrs-Kaiser

„Ich habe mich nicht getraut“

Peter Seiffert über große Wagner-Rollen, seine erste Ehefrau Lucia Popp – und die Sehnsucht nach Schlagern

Peter Seiffert, geboren 1954 in Düsseldorf, ist einer der wichtigsten Wagner-Sänger der Gegenwart. Nach seinem Debüt 1978, zuerst in leichteren Rollen, entwickelte er sich stetig ins Wagner-Fach. Hier feierte er sowohl als Erik und als Parsifal, besonders aber in den Titelrollen von „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Tristan“ überragende Erfolge – nicht zuletzt an der Deutschen Oper Berlin.

u. a. Peter Seiffert als TannhäuserTannhäuser © Bettina Stöß
 

Herr Seiffert, Ihr Berliner Lohengrin ist der erste seit vielen, vielen Jahren!
Ja. Es ist so lange her, dass ich es selber nicht mehr genau sagen kann. Irgendwie dachte ich, der Bedarf sei gedeckt. Ich hatte abgeschlossen mit Lohengrin, der doch einmal mein zweites Ich gewesen ist. Freilich, damals war ich noch ein Baby. Inzwischen hat sich der Geschmack bei dieser Rolle geändert. Man hat andere Sänger-Typen gehört, etwa Klaus Florian Vogt oder Jonas Kaufmann. Mein Verständnis der Rolle, ehrlich gesagt, ist nicht lustig. Lohengrin ist ein Zauberwesen, aber kein Märchenprinz. Nicht ganz so schlimm wie Gollum im „Herrn der Ringe“. Aber doch aus einer anderen Welt.

Da Sie von Mozart her kamen, war Ihr Lohengrin deutlich weicher und schmelzender als derjenige Ihrer Vorgänger. War das Ihre Absicht?
Für mich war Lohengrin der Retter, der Ritter, der Befreier. Und der Sieger im Kampf mit Telramund. Bewundert hatte ich den Tenor Franz Völker, den ich nur von alten Aufnahmen her kannte, der aber eine ganz andere Stimme hatte als ich. Die Freiheit, die hohen Töne ein bisschen länger zu halten, habe ich von ihm übernommen. In Italien, aber nur dort, habe ich beim „Tannhäuser“ manchmal sogar ein hohes H eingebaut, am Ende der Rom-Erzählung. Derlei könnte man sich in Deutschland nicht erlauben.

Lohengrin wird heute oft als Ihr Karrierebeginn gewertet. Wo sehen Sie diesen selber?
Viel früher, bei Don Ottavio in Mozarts „Don Giovanni“. Es war mein erster ganz großer Erfolg. „Ottavio überstrahlt alle“, schrieb damals jemand in der Süddeutschen Zeitung. Das hat mich umso stolzer gemacht und umso mehr gefreut, als Don Ottavio doch ein ziemlicher Jammerlappen ist.

Man liest, dass Götz Friedrich Sie als Heldentenor gefördert und aufgebaut habe...
Das stimmt nicht, wie ich sagen muss. Götz Friedrich hat mich gern gehabt, was mir viel Selbstvertrauen und Mut gab. Er war ein Weichensteller, nicht zuletzt wegen der Wichtigkeit seines Hauses. Auf Nummer Unsicher ist er aber nicht gegangen. Ich hatte Lohengrin schon früher in München bei Wolfgang Sawallisch gesungen.

Peter Seiffert als TristanTristan und Isolde © Matthias Horn
 

Haben Sie damals damit gerechnet, dass Sie im Lauf der Zeit den ganzen Wagner-Weg bis hin zu „Tristan“ zurücklegen würden?
Nein. Es war nicht mein Ziel und auch nicht mein Ehrgeiz. Nur, als mein Lohengrin erfolgreich gewesen war, kamen fast nur noch Lohengrin-Angebote. Ich wollte nicht der Lohengrin vom Dienst sein. Genauso wenig wie der Matteo vom Dienst in der „Arabella“. Ich habe auch zwischendurch die Reißleine gezogen, um die Lust an der Rolle nicht zu verlieren. Man kann aber natürlich nicht erwarten, dass die Fans in derselben Richtung mitgehen wollen, in die man sich entwickelt. Aufhören gehört übrigens auch zur Entwicklung mit dazu.

Im Januar singen Sie an der Deutschen Oper Berlin auch wieder „Tannhäuser“, eine weitere Ihrer Paraderollen. Warum gilt die Partie als so schwierig?
Weil ein Heldentenor ran muss! Also jemand, der vielfach bereits Tristan gesungen hat. Für ihn gibt’s dann aber bei der Beweglichkeit, die man für „Tannhäuser“ braucht, große Probleme. Bei der Jäger-Szene mit ihren schnellen Läufen macht jede zu schwere Stimme schlapp.

Überlegt man es sich dann zwei Mal, ob man diese Rolle annimmt?
Nein, denn das kann man sich nicht erlauben. Ich habe früher gedacht, dass man mir, wenn ich Tannhäuser singe, immer noch etwas Leichteres anbieten würde. Ist aber nicht passiert. Einmal auf dieser Schiene drauf, kommt man da nicht wieder herunter.

Auch Ihr „Tristan“ an der Deutschen Oper war schlicht überragend – und wirkte damals wie eine Gemeinschaftsleistung mit Ihrer Ehefrau Petra-Maria Schnitzer. War es so?
Ja, es war damals ja ihre erste Isolde. Wir haben uns, weil wir uns blind verstanden, gegenseitig gesteigert und herausgefordert. Aber nicht im Sinne von Kampfsport, was immer die unangenehmste Form des Singens ist. Sondern im Gegenteil, man konnte viel lyrischer werden, ohne dass einen der Partner angebrüllt hat. Daran haben auch Donald Runnicles und der Regisseur Graham Vick großen Anteil gehabt.

Ihr letzter Tristan, wenn ich richtig sehe, fand im Sommer 2015 in München statt. Vorbei?
Nein, ich werde ihn wieder singen. Im Repertoire und auch in einer Turiner Neuproduktion. Es soll nicht der letzte Tristan sein. Auch in Berlin und Wien sind weitere Termine geplant.

Wer Sie kürzlich als Siegmund im 1. Akt „Walküre“ gehört hat, mit Anja Harteros als Sieglinde, mag sich gefragt haben, warum Sie den Schritt zum Siegfried nie getan haben?
Ganz einfach: Vor dem Siegfried wollte ich den Tristan machen. Danach kamen tatsächlich Angebote dafür. Auch Bayreuth fragte, und zwar sollte ich dort beide Siegfriede singen. Nur hatte ich so viel zu tun, dass ich nicht wusste, wann ich die Rollen lernen sollte. Mit dem Jung- Siegfried konnte ich mich außerdem nicht ganz anfreunden. Und dann kamen plötzlich keine Anfragen mehr. Ich bin im Reinen mit mir. Für mich ist es wichtig, dass der Sängerberuf kein Qualberuf wird, sondern dass ich auch nachher nochmal im Biergarten sitzen kann. Außerdem glaube ich: Wenn ich nicht gelegentlich Bacchus oder Florestan singen dürfte, wäre ich schon längst weg vom Fenster. Ich denke heute eher an das Ende meiner Karriere, und nicht daran, neu durchzustarten.

Anja Harteros als Sieglinde, Peter Seiffert als SiegmundDie Walküre (konzertant beim Musikfest Berlin) © Bettina Stöß

Warum sind Sie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr bei den Bayreuther Festspielen aufgetreten?
Man fragte mich dort, abgesehen vom Siegfried, einmal, ob ich als Tannhäuser einspringen würde. Es hat mich gefreut, aber die Idee gefiel mir trotzdem nicht mehr so recht. Ich wollte den Bayreuther Vorhang, nachdem ich Stolzing und Lohengrin dort gesungen hatte, zulassen. Früher war es üblich, dass die großen Sänger jeden Sommer nach Bayreuth gingen. Heute gibt es dort teilweise eine Anfänger-Atmosphäre. Chor und Orchester sind immer noch großartig. Sängerisch ist es nicht mehr so toll. Dass ich Tristan in Bayreuth singen würde, war übrigens nie die Frage.

Sie wirken als Sänger nicht übermäßig nervös. Stimmt das?
Nein, leider nicht. Ich war immer sehr aufgeregt. Aber ich bin zugleich ein Typ, der gern Züge abfahren lässt. Ich bin ehrgeizig, aber nicht verbissen. Ich mache gerne Blödsinn, fahre gern Fahrrad, und lege keinen Wert darauf, dass die Welt ausflippt, nur weil ich den Raum betreten habe. Als ich 30 wurde, habe ich gesagt: Mit Mitte Fünfzig höre ich auf. Da bin ich jetzt schon längst drüber.

Ähnlich wie Ihre erste Ehefrau Lucia Popp wirken Sie außerordentlich geerdet und liebenswürdig. Ist es mühsam, sich das zu erhalten, wenn man als Star gehandelt wird?
Das sollte man sich zu bewahren suchen! Ich erinnere mich, dass ich mit Lucia, die wirklich ein großer Star war, einmal in Wien bei einem Hendl-Wirt gesessen habe. Mit fettigen Fingern wühlten wir in den Hendln herum, als auf einmal am Nebentisch Leute aufsprangen und uns umringten. Da hat sich Lucia halt die fettigen Hände abgewischt und den Leuten Autogramme gegeben. Ich habe gelernt daraus. Und bin gut damit gefahren.

Warum haben Sie eigentlich nie Schlager gesungen – schließlich war Ihr Vater der Schlagerkomponist Helmut Seiffert?
Hardrock ist Umweltverschmutzung für mich, aber „Bye bye my love“ hätte ich gerne gesungen. In Klosterneuburg, wo wir wohnen, singe ich manchmal in kleinerem Rahmen Chansons. Das macht viel Arbeit. Ich habe noch Mischa Spoliansky kennengelernt und Nico Dostal. Seine Frau Lillie Claus war Trauzeugin, als Lucia Popp und ich heirateten. Ich hätte so gerne Schlager gesungen! Ich habe mich nicht getraut.

Für die Beilage der Deutschen Oper Berlin in der Berliner Morgenpost, Dezember 2016.

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