Zum 20. Todestag von Götz Friedrich - Deutsche Oper Berlin

Eine Würdigung von Curt A. Roesler

Zum 20. Todestag von Götz Friedrich

Zwei Jahrzehnte lang, von 1981 bis zu seinem Tod am 12. Dezember 2000, prägte Götz Friedrich als Intendant und Regisseur die Deutsche Oper Berlin. Mit seinen Inszenierungen, allen voran von Wagners DER RING DES NIBELUNGEN machte er das Haus nicht nur zu einer der Aufsehen erregendsten Stätten modernen Musiktheaters, sondern prägte auch unseren Blick auf die großen Stoffe der Opernliteratur. Noch immer sind seine Inszenierungen von LA BOHEME, LA TRAVIATA und LE NOZZE DI FIGARO Teil des Repertoires der Deutschen Oper Berlin.

 

Mit drei Inszenierungen hatte sich der ehemalige Dramaturg und Regisseur der Komischen Oper in der kurzen Intendanz von Siegfried Palm dem Ensemble und dem Publikum der Deutschen Oper Berlin vorgestellt. Als der Kultursenator Dieter Sauberzweig sich für ihn als künftigen Generalintendanten entschied, fürchteten die einen und hofften die anderen, dass er aus der Deutschen Oper Berlin eine Komische Oper II machen würde. Beide Gruppen hatten wohl nicht so genau hingesehen, denn Götz Friedrich hatte in den Jahren seit seiner »Republikflucht« 1972 als Principal Guest Producer des Royal Opera House Covent Garden und als Chefregisseur der Hamburgischen Staatsoper seinen künstlerischen Horizont deutlich erweitert. Und gleich in seiner ersten Spielzeit in Berlin zeigte er exemplarisch, dass er beides zu vereinen wusste: Hier die in der Tradition des »realistischen Musiktheaters« von Walter Felsenstein stehende Ensemblearbeit mit AUS EINEM TOTENHAUS von Leoš Janáček, da die am internationalen Medienmarkt orientierte AIDA mit Luciano Pavarotti als Radames und Daniel Barenboim am Pult. In seiner Intendanz manifestierte sich so eine Vereinigung künstlerischer Prinzipien aus Ost und West lange vor der »Wiedervereinigung«. Diese erlebte Götz Friedrich neun Jahre später in Stuttgart, wo er gerade DIE BASSARIDEN von Hans Werner Henze inszenierte. Das hatte er sich in seinem Vertrag mit dem Land Berlin ausbedungen, dass er neben seiner Tätigkeit als Generalintendant und Chefregisseur der Deutschen Oper Berlin zwei Mal während einer Spielzeit an anderen Opernhäusern inszenieren durfte.

 

Durchaus abweichend vom Konzept der Komischen Oper unter Walter Felsenstein, neben dem nur Regisseure tätig waren, die fest in der Tradition des »realistischen Musiktheaters« standen (außer Götz Friedrich vor allem Joachim Herz und später Harry Kupfer), holte sich Götz Friedrich als Kontrast ganz andere Regiehandschriften ins Haus. Hans Neuenfels inszenierte regelmäßig seit der MACHT DES SCHICKSALS 1982, Günter Krämer debütierte 1986 mit KATJA KABANOVA, John Dew 1987 mit DIE HUGENOTTEN.

Die zeitgenössische Musik lag ihm am Herzen, eine seiner ersten Amtshandlungen war die Ernennung von Hans Werner Henze zum Ehrenmitglied. Der Komponist fühlte sich dem Berliner Opernhaus seit der Uraufführung seines KÖNIG HIRSCH an der Städtischen Oper verbunden und komponierte zur Inauguration von Götz Friedrich ein Klavierstück, das Homero Francesch zu diesem Anlass in einer Matinee »Musiktheater für Berlin« zum Beginn der Spielzeit 1981/1982 spielte. Bis zur nächsten Henze-Uraufführung dauerte es einige Jahre: Die Oper DAS VERRATENE MEER kam 1990 auf die Bühne, inszeniert wie fast alle Uraufführungen vom Chefregisseur selbst. Schon etwas früher kam als erste Opernuraufführung OEDIPUS von Wolfgang Rihm heraus. Diesen damals noch nicht einmal 30jährigen Komponisten hatte sich Götz Friedrich als »Berater für zeitgenössische Musik« an die Seite geholt. Sein »poème dansé« TUTUGURI war der Sensationserfolg des Balletts der Deutschen Oper Berlin in der zweiten von Götz Friedrich verantworteten Spielzeit. Die ausdrücklich für das große Herrenensemble der Deutschen Oper Berlin, das darin als antiker »Chor« fungierte, komponierte Oper OEDIPUS kam 1987 zur Uraufführung.

 

Richard Wagner gehörte seit 1972 zu den bevorzugten Komponisten von Götz Friedrich. Damals hatte er in Bayreuth mit TANNHÄUSER einen Skandal entfacht – und sich gleichzeitig international bekannt gemacht. Wagner gehörte auch von Anfang an zum Repertoire der Deutschen Oper Berlin, schließlich wurde die Vorgänger-Institution, das Deutsche Opernhaus, 1912 ausdrücklich als Richard-Wagner-Theater konzipiert. TRISTAN UND ISOLDE gehörte zu den drei Inszenierungen von Götz Friedrich vor seiner Generalintendanz, die Planungen für einen neuen RING DES NIBELUNGEN begann er unmittelbar nach der Unterzeichnung seines Vertrages. 1984 (der Roman von George Orwell mit diesem Titel stand für alle konzeptionellen Überlegungen Pate) begann der Zyklus, heftig umkämpft von Publikum und Presse, der dann zu einer der langlebigsten Produktionen wurde.

Den RING DES NIBELUNGEN hatte Götz Friedrich bereits in London mit Josef Svoboda erarbeitet, der auch an der Deutschen Oper Berlin tätig war, etwa bei AUS EINEM TOTENHAUS; nun arbeitete er mit Peter Sykora zusammen, der seit 1981 ebenfalls als »Republikflüchtling« nicht mehr in die DDR zurückkehren konnte und die Deutsche Oper Berlin zum Zentrum seiner Arbeit machte. Mit John Dew waren Gottfried Pilz und Isabel Glathar an die Deutsche Oper Berlin gekommen, später arbeiteten sie auch für Götz Friedrich.

 

Die künstlerische Partnerschaft Götz Friedrichs mit seiner Ehefrau Karan Armstrong passte vor allem zu Anfang nicht jedem. Als »Primadonna der Moderne« gingen jedoch wichtige Impulse von ihr aus: Lulu sang sie in der Premiere 1982, Salome in der 20 Jahre alten Inszenierung von Wieland Wagner. Später prägte sie auch Inszenierungen von Günter Krämer (so als Katja Kabanowa, Emilia Marty oder Lady Macbeth von Mzensk) und John Dew oder sang Sieglinde in der WALKÜRE. Ihre Marietta in der TOTEN STADT ist auf DVD erhalten, eine der leider nicht sehr zahlreichen Fernsehproduktionen aus der Zeit Götz Friedrichs.

 

Eine von der Politik verpasste Chance ergab sich 1990, als Giuseppe Sinopoli signalisierte, an der verwaisten Position des GMDs interessiert zu sein und auch das Orchester ganz begeistert war von der Idee. Ein Nachfolger für Jesús López Cobos, der die Deutsche Oper Berlin 1989 zur Erschließung neuer Horizonte verlassen hatte, wäre er nicht geworden, denn er hätte sich nicht die Zeit nehmen wollen, Produktionen selbst über sechs bis acht Wochen von der ersten bis zur letzten szenischen Probe zu begleiten. Aber zur internationalen Aufmerksamkeit für das größte Opernhaus in der künftigen Hauptstadt, das nun zwei unmittelbare Konkurrenten hatte, hätte er schon Wesentliches beitragen können – was er mit den schon verabredeten Produktionen, darunter SALOME mit Catherine Malfitano und Simon Estes, auch tat.

 

Götz Friedrich war stets hin- und hergerissen zwischen der künstlerischen und der organisatorischen Tätigkeit. Aber er ging kreativ mit der Doppelbelastung um, flüchtete vom Schreibtisch auf die Probebühne, um von dort direkt wieder zum Schreibtisch zu verschwinden. Seine wichtigste organisatorische Entscheidung war die Gründung des Förderkreises der Deutschen Oper Berlin e. V. am 13. Februar 1982 (dem 99. Todestag von Richard Wagner) auf einer Probebühne unter der Schirmherrschaft des damaligen Regierenden Bürgermeisters und zukünftigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Ohne den Förderkreis wäre weder das Stipendienprogramm für junge Sänger, noch die Produktion des RINGS DES NIBELUNGEN oder die Gastspiele in Japan und den USA möglich gewesen.

Der Nachwuchs lag Götz Friedrich besonders am Herzen, sowohl bei den Künstlern als auch beim Publikum. Außer den Gesangsstipendiaten förderte er junge Choreographen und Regisseure mit speziellen Programmen. Das »Education Program« (wie man heute sagen würde) »Klassik is‘ cool« wurde unter seiner Leitung eingerichtet und im Foyer (in Ermangelung einer eigenen kleinen Bühne) eine Aufführungsstätte für Produktionen für und mit Kindern aufgebaut. In Hamburg hatte er zusammen mit August Everding den Studiengang Musiktheater-Regie gegründet. Zahlreiche Regisseure und Dramaturgen gingen daraus hervor, so Stefan Herheim, der nun den Nachfolge-RING inszeniert und damit auch die Fackel weiterträgt.

Amahl und die nächtlichen Besucher © Kranichphoto
 

Dem Publikum der Zukunft galt Götz Friedrichs letzte Inszenierung: AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER von Gian Carlo Menotti. Bei der Planung konnte er nicht wissen, dass er wenige Tage nach der Premiere einer schweren Erkrankung erliegen würde. Am 12. Dezember 2020 jährt sich sein Todestag zum 20. Mal. Der Verlust war schmerzlich, doch wird die Erinnerung wachgehalten durch den Götz-Friedrich-Preis, der alljährlich an junge Regisseurinnen und Regisseure vergeben wird. 2008 erhielt der neugestaltete Platz an der Ecke Krume Straße / Bismarckstraße, gegenüber dem Shakespeare-Platz, den Namen Götz-Friedrich-Platz. Eine Skulptur von Günther Uecker direkt am Ausgang der U-Bahn reflektiert die künstlerische Zusammenarbeit mit ihm, die in der szenischen Fassung der MATTHÄUSPASSION 1999 ihren Höhepunkt gefunden hatte.

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