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Die richtige Mischung finden - Deutsche Oper Berlin

Im Gespräch mit Frederik Hanssen und Ulrich Amling

Die richtige Mischung finden

Donald Runnicles dirigiert Brittens TOD IN VENEDIG und Wagners DER FLIEGENDE HOLLÄNDER. Darüber und über seine Arbeit an der Deutschen Oper Berlin ...

Ulrich Amling lebt als Kulturjournalist in seiner Heimatstadt Berlin. Im Feuilleton des Tagesspiegels ist er Redakteur mit dem Schwerpunkt Klassik, dazu verantwortlich für Ticket und Spielzeit, außerdem Weinexperte.

Frederik Hanssen, geboren 1969 in Berlin, studierte Musikwissenschaft und französische Philologie in Berlin, Mailand und Clermont-Ferrand. Seit 1997 ist er Redakteur für klassische Musik im Feuilleton des Tagesspiegels.

Herr Runnicles, vor Ihnen liegt die Partitur Ihrer nächsten Premiere: TOD IN VENEDIG von Benjamin Britten. Ein Kammerspiel nach Thomas Manns Novelle, in der der Schriftsteller Aschenbach die Schönheit sucht und den Tod findet. Ist dieses Werk richtig aufgehoben auf der großen Bühne der Deutschen Oper Berlin?
Aus meiner Erfahrung, aktuell zum Beispiel mit Mozarts COSI FAN TUTTE, kann ich sagen: Die Bühne ist nicht zu groß für dieses Stück. Im Gegenteil: Ich finde die Akustik an diesem Haus ideal für kammermusikalische Akzente. Spannend finde ich, wie klassisch Brittens Partitur letztlich ist. Für Aschenbachs Selbstgespräche nutzt er die einfache Begleitung eines „Fortepianos“ wie bei Gluck und Mozart. Brittens letzte Oper gehört genauso wie Mozart an die Deutsche Oper Berlin. Unsere Bühne bietet auch mehrere Möglichkeiten, mit Fernchören und Bühnenmusik rein akustisch aus dem Off zu arbeiten. Ich werde das Stück höchstwahrscheinlich zunächst größer im Orchester besetzen und proben, bei Gelegenheit gehe ich dann in den Zuschauerraum und höre mir das an. Mag sein, dass ich dann sage: Da sind zwei Bässe zu viel. Aber lieber so, als hinterher festzustellen, es sind zwei Bässe zu wenig.

Paul Nilon und Rauand Taleb
Tod in Venedig © Marcus Lieberenz
 
Samuel Dale Johnson, Katherine Manley, Maja Lange, Matthew Peña, Paul Nilon, Rauand Taleb, Philipp Jekal, Jean Broekhuizen
Tod in Venedig © Marcus Lieberenz
 

In Brittens letzter Oper läuft alles auf die Hauptrolle Aschenbach zu. Hier mussten Sie gegenüber Ihrer ursprünglichen Planung umdenken. Wie kam das?
Es kam überraschend. Ich kenne Richard Croft, der den Aschenbach singen sollte, seit langem. Er ist ein zuverlässiger, gewissenhafter Künstler. Während des Studierens der Rolle aber hat er als sehr versierter Britten-Sänger feststellen müssen, dass er sich mit der Figur des alternden Schriftstellers Aschenbach nicht identifizieren kann. Mir ist es lieber, wenn ein Sänger sagt, es tut mir leid, das spricht mich nicht an, als wenn er sich einfach krank meldet. Wenn er selbst nicht daran glaubt, kann er dem Regisseur Graham Vick bei den Proben auch nichts anbieten. Wir haben das große Glück, mit Paul Nilon einen Sänger gefunden zu haben, der die Partie schon gesungen hat und der genau das richtige Alter hat für diese Obsession: „Ich bin noch jung, ich bin noch schön!“ Paul Nilon wird während des ganzen Arbeitsprozesses hier sein, wir freuen uns darüber.

Brittens Opernschaffen einen Zyklus zu widmen, war Teil Ihrer Pläne, als Sie 2009 an der Deutschen Oper als Generalmusikdirektor anfingen. Warum ist er für Sie so wichtig?
Die Opern eines der großartigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gehören nach Berlin. Wir haben unseren Britten-Schwerpunkt über Jahre hinweg angelegt und die Resonanz des Publikums hat uns sehr ermutigt. Nicht nur bei PETER GRIMES, sondern auch bei BILLY BUDD und DIE SCHÄNDUNG DER LUCREZIA. Neben einem PETER GRIMES oder BILLY BUDD ist TOD IN VENEDIG intellektueller angelegt und an und für sich viel intimer. Es ist mit Abstand sein autobiografischstes Werk. Der Komponist Benjamin Britten hat sich mit dem Schriftsteller Gustav von Aschenbach identifiziert. Und genau wie Aschenbach stellt Britten immer wieder die Frage nach der eigenen Relevanz und Inspiration. Das ist umso verständlicher, weil er im Jahrzehnt vor TOD IN VENEDIG vor allem in England als nicht modern genug abgelehnt wurde. Und natürlich geht es auch um seine eigene Sexualität, zu einer Zeit, als Homosexualität tabu war. Alles kommt hier zusammen: Der schwerkranke Britten wusste, TOD IN VENEDIG wird seine letzte Oper.

u. a. Christopher Ventris als Peter Grimes
Peter Grimes © Marcus Lieberenz
 
Albert Pesendorfer, Burkhard Ulrich, Markus Brück, Lenus Carlson, Clemens Bieber, Simon Pauly, John Chest u. a.
Billy Budd © Marcus Lieberenz
 

Bildet TOD IN VENEDIG den Schlussstein Ihres Britten-Zyklus?
Nein. Ich würde z. B. sehr gerne den SOMMERNACHTSTRAUM machen, aber dafür muss man das richtige Team finden. Für das Haus wäre es großartig – und es gäbe ein Leben nach dem Tod [lacht]. Wir planen das WAR REQUIEM in einer szenischen Fassung. Das könnte wunderbar werden, besonders mit unserem Chor.

Sie haben gerade Mozarts ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL und COSI FAN TUTTE mit jungen Regisseuren herausgebracht, die ihre erste Oper inszeniert haben. Was waren Ihre Erfahrungen dabei?
Sicher war vieles kontrovers und provokant. Musiktheater ist auch dazu da, um Neues und Relevantes auszuprobieren. Was wurde hier schon alles ausgebuht, auch Inszenierungen eines gewissen Götz Friedrich. Für mich war die Arbeit mit vielen neuen Einsichten in DIE ENTFÜHRUNG verbunden, und ich hatte die Möglichkeit, mit meinem Orchester intensiv am Schwierigsten zu arbeiten – und das ist ja Mozart. Es hat bei Mozarteinstudierungen gerne Barockbögen ausprobiert, sich in die Ästhetik hineingearbeitet. Es kommen stilistische Fragen wie vibrato, non vibrato, Naturtrompeten, Naturpauken. Die Neugier auf den vermeintlich authentischen Klang – das prägt. Dazu dieses aufeinander hören, so dass Kammermusik im Graben entstehen kann. Musiktheater genieße ich als Gesamtkunstwerk – Licht, Bühnenbild, Kostüm, alles, was dazu gehört. Deshalb bin schon bei der Bauprobe dabei und frage z. B. auch: Woraus bestehen diese Wände? Wenn der Regisseur Samt will, weiß ich gleich, dass es klingt, als singe man in eine Kleenex Box.

Wie lange muss eine Inszenierung eigentlich halten, muss sie ewig gespielt werden können?
Der von mir hoch verehrte Götz Friedrich würde sicher darüber lachen, dass sein RING immer noch gespielt wird. Natürlich wäre es ideal, wenn man jede Inszenierung 10 Jahre oder länger zeigen könnte. Andererseits gibt es Stücke, von denen wir wissen, dass wir sie nicht jede Spielzeit bringen werden. Als wir hier anfingen, mussten wir das Repertoire wieder aufbauen: Produktionen, die man später innerhalb von vier Tagen im Repertoire wiederaufnehmen kann. Daneben haben wir eine TOSCA-Inszenierung von 1969 im Repertoire – warum nicht? Sängerinnen und Sänger lieben diese Produktion, und das Bühnenbild mit seinem Panorama der Engelsburg im dritten Akt ist immer noch großartig. Letztlich kommt es darauf an, die richtige Mischung zu finden. Ich halte es für einen großen Vorteil des deutschen Theatersystems, dass hier die Freiräume für künstlerische Wagnisse größer sind. In den USA gibt es keine Subventionen.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER ist zweifellos eine Oper, die das Haus füllen soll. Mit Christian Spuck haben Sie einen Regisseur engagiert, der bislang hauptsächlich als Choreograf gearbeitet hat. Ist das nicht auch ein Wagnis?
Es sind die spannendsten Momente im Theater, wenn man nicht genau weiß, wie sich eine Inszenierung während des Arbeitsprozesses entwickeln wird. Bei FAUSTS VERDAMMNIS, Spucks erster Arbeit an der Deutschen Oper Berlin, mussten wir beispielsweise erst einmal ganz grundsätzliche Fragen beantworten: Ist das überhaupt eine Oper – oder eher ein Oratorium? Kann man das überhaupt inszenieren – oder ist das Stück nicht doch im Konzertsaal besser aufgehoben? Christian Spuck hat auf diese Fragen sehr überzeugende Antworten gefunden. Außerdem war die Probenarbeit mit ihm vom ersten Tag an eine Wonne. Vor allem mit dem Chor kam er wunderbar zurecht – und unser Chor ist sehr anspruchsvoll. Alle hörten zu, folgten Spucks Anweisungen und am Ende der Probe gab es immer wieder Applaus. Das kommt selten vor. Diese Arbeit war für mich sehr beglückend. Danach haben wir gleich überlegt: Was machen wir als nächstes? Wir wollten einen neuen FLIEGENDEN HOLLÄNDER haben. Und letztlich ist der HOLLÄNDER zu einem nicht unwesentlichen Teil eine große Choroper.

Klaus Florian Vogt, Samuel Youn, Chor der Deutschen Oper Berlin
Fausts Verdammnis © Bettina Stöß
 
Ingela Brimberg als Senta, Thomas Blondelle als Erik
Der fliegende Holländer © Thomas Jauk
 

Sie haben eine „klassische“ Karriere gemacht, vom Assistenten zum Musikchef. Heute werden sehr junge Dirigenten oft gleich ganz nach oben katapultiert. Kann das überhaupt funktionieren?
Für ein Repertoirehaus ist es wichtig, jungen Dirigentinnen und Dirigenten Herausforderungen zu geben. Wohlwissend, dass etwas schief gehen kann. Mein erster Chef in Mannheim war Hans Wallat, von dem ich viel gelernt habe. Dort habe ich einige Produktionen ohne Orchesterprobe übernommen. Das war nur möglich, weil ich zuvor szenische und musikalische Proben am Klavier begleitet hatte. Wenn man bei der Aufführung ans Pult geht, weiß man natürlich, dass man während einer Aufführung nicht reden kann. Das muss alles durch Augenkontakt und präzise Lesart funktionieren. Als GMD der Deutschen Oper Berlin ist es mein Wunsch, junge Dirigenten als Assistenten ans Haus zu holen und ihnen die Chance zu geben, Vorstellungen unseres Repertoires zu dirigieren. Bei der Auswahl dieser Assistenten wird das Orchester eingebunden, alle Kandidaten absolvieren ein Vordirigat. Es soll schließlich „unser Assistent“ werden. Einer meiner Assistenten, Ido Arad, zum Beispiel dirigiert Proben und achtet für mich auf die Balance zwischen Orchestergraben und Bühne vom Zuschauerraum aus. Er hat DIE HUGENOTTEN mit einstudiert, dem Dirigenten Michele Mariotti assistiert, Proben geleitet und dann auch Aufführungen dirigiert. Genauso Daniel Cohen, der andere Assistent. Ich bin stolz auf sie. Oft treffen wir uns nach einer Vorstellung. Es gibt gelungene und manchmal weniger gelungene. Wichtig ist, selbstkritisch zu sein und sich immer wieder zu fragen, was man besser machen kann.

Wagners RING DES NIBELUNGEN hat sich als Schicksalsstück Ihrer Karriere erwiesen. Wie kam das?
Schon als Jugendlicher war ich vom RING fasziniert. Ich habe RHEINGOLD 1971 im allerersten schottischen RING gehört. Zu der Zeit studierte ich Klavier und habe mich überwiegend mit Chopin und Beethoven beschäftigt. Voller Begeisterung kaufte ich mir einen Klavierauszug von RHEINGOLD und versuchte, Wagner auf dem Flügel nachzuspielen. So begann eigentlich meine Liebe zu der Musik von Richard Wagner und zur Oper. Mein Vater, ein Kirchenmusiker, konnte dies überhaupt nicht nachvollziehen. Ich aber war infiziert. Durch diese Musik bin ich der, der ich bin. Ich ging ans Nationaltheater Mannheim, und so fing meine Karriere an. Dort hatte ich die Möglichkeit, das gesamte Wagner-Repertoire zu spielen und zu dirigieren. Nicht viel später wurde ich Wolfgang Wagner als Assistent bei James Levine und Götz Friedrich für PARSIFAL 1982 in Bayreuth vorgeschlagen. GMD in Freiburg wurde ich durch mein Vordirigat des FLIEGENDEN HOLLÄNDERS, in San Francisco war es dann der RING. Ich fühle mich sehr privilegiert: Ich liebe diese Musik und dirigiere sie in der ganzen Welt. Der RING ist für ein Opernhaus die ultimative Herausforderung. Deshalb freue ich mich auf einen neuen RING an der Deutschen Oper Berlin. Es ist höchste Zeit, dieses unerschöpfliche allegorische Spiel neu zu beginnen. Wir haben so lange mit einer Neuinszenierung gewartet, weil Götz Friedrichs RING so ikonisch ist. Wir standen in Demut vor ihm – solange, bis wir den richtigen Regisseur und die richtige Besetzung gefunden hatten.

Derek Welton als Wotan
Das Rheingold © Bettina Stöß
 
Daniela Sindram als Fricka, Iain Paterson als Wotan
Die Walküre © Bettina Stöß
 

Im April dirigieren Sie zwei letzte Zyklen des „Friedrich-RING“. Mit welchen Gefühlen nehmen Sie Abschied?
Es ist kein trauriger Abschied, aber nostalgisch stimmt er mich schon. Dieser RING war immerhin mein „Einstand“, als ich 2007 an der Deutschen Oper Berlin einsprang. Ich habe es damals gemacht, obwohl mir abgeraten wurde: schwieriges Haus, die kulturpolitische Situation … Ich hab’s dennoch gemacht und ein unglaubliches Haus erlebt. Wir haben sehr frühzeitig den Abschied vom „Friedrich-RING“ bekannt gegeben – und erlebten eine Nachfrage, bei der wir auch mehr Aufführungen hätten spielen können. Die Tickets gingen weg wie „warme Semmeln“. Jetzt nehmen wir Abschied von dieser Ikone, und viele Freunde aus der ganzen Welt kommen, um sie noch einmal zu sehen. Nach wie vor gilt dieser RING als eine der wichtigsten Deutungen dieses Werks.

 

Stefan Vinke als Siegfried
Siegfried © Bettina Stöß
 
Stefan Vinke als Siegfried, Evelyn Herlitzius als Brünnhilde, Chor der Deutschen Oper Berlin
Götterdämmerung © Bettina Stöß
 

Nach der GÖTTERDÄMMERUNG beginnt bei Götz Friedrich das Spiel von vorn. Und die Deutsche Oper Berlin schmiedet bereits einen neuen RING. Was steht uns bevor?
Wir haben schon vor drei Jahren angefangen, den neuen RING zu planen, und freuen uns enorm, dass der Regisseur Stefan Herheim mit uns arbeiten wird. Wir haben lange um ihn geworben. Er ist ein herausragender Regisseur. Wir sind natürlich auch längst dabei, die besten Sängerinnen und Sänger zu engagieren. Unser neuer RING wird auch zyklisch zu sehen sein, bevor es an der Staatsoper dann eine neue Inszenierung gibt. Wenn wir nun zum letzten Mal den „Friedrich-RING“ spielen, wissen wir, dass wir 2020 erneut mit Es-Dur beginnen und in Des-Dur aufhören – und dazwischen eine Welt entdecken.